Schmerzen können die Frauen besser ertragen. Davon bin ich fest überzeugt. Die Schwangerschaft und das Stillen stelle ich mir machbar vor, aber vor der Geburt habe ich sehr großen Respekt. Männer
sind also darauf angewiesen, ihre eigenen Strategien zu entwickeln, um mit sehr großen Schmerzen umzugehen. In diesem Text geht es um Zahnschmerzen.
In meinem Garten steht ein unschuldiger Strauch, der mir jedes Jahr Unmengen roter Johannisbeeren beschert. Vorsehen sollte man sich vor den Kernen, die eine für Zähne kritische Größe haben. Das
tat ich nicht und eines Morgens verkeilte sich ein Kern ungünstig in einem Zahnzwischenraum. Kurze Zeit später biss ich darauf und ein kleiner Teil meines Backenzahnes brach ab.
Erst nachdem der Zahnarzt dort irgendwas provisorisch geflickt und gebohrt hatte kamen die Schmerzen. Es tat aber nur ab und zu richtig weh. Zum Beispiel wenn ich diesen Zahn zum Essen benutzte.
Ich kaute also von da an rechts und fuhr unbesorgt für zwei Wochen mit meinen Liebsten und der Familie von Don Locko nach Mecklenburg-Vorpommern.
Schlimm wurde es fünf Tage vor Urlaubsende. Sehr schlimm. Prinzipiell gab es von nun an drei Möglichkeiten: Schmerztabletten, Alkohol oder der Besuch bei einem Zahnarzt im Urlaubsort. Die Idee
mit dem Zahnarzt kam natürlich von den Frauen.
Zur Lösung des Problems wurde eine Doppelstrategie angewendet. Ich kaufte eine Packung Zahnschmerztabletten und eine Flasche Wodka. Nachdem er die Flasche - unseren einzigen Einkauf - abkassiert
hatte, wünschte uns der Kassierer bei Netto noch einen schönen Abend. Um ihn nicht zu enttäuschen fragte mich Don Locko im Laden recht laut: "Und, wo setzen wir uns jetzt hin?".
Die Ergebnisse meiner Testreihen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine Tablette ist stark genug, um den Schmerz vollständig für sechs Stunden abzutöten. Man darf aber in dieser Zeit keinen
Alkohol trinken. Dieser absolut selige Zustand des "keine Schmerzen habens" kann auch mit Wodka oder Honig-Rum erreicht werden, aber die Nebenwirkungen sind größer. Zumindest meinten das die
Frauen.
Wenn sie, verehrter Leser, ihre Schmerzen über einen langen Zeitraum betäuben müssen, ist aus medizinischer Sicht die Behandlung mit Alkohol vorzuziehen, da Schmerztabletten Leberschäden
verursachen und abhängig machen. Man darf dann aber kein Auto mehr fahren und es soll auch Menschen geben, die die Nebenwirkungen des Alkohols als unangenehm empfinden. Einige Arbeitgeber
verbieten auch den übermäßigen Alkoholgenuss am Arbeitsplatz. Hier sollte man sich also gegebenenfalls vorher informieren, ehe man sich für eine der Schmerztherapien entscheidet.
Wieder in Magdeburg angekommen ging ich dann zunächst zur Arbeit und anschließend zu meinem Zahnarzt, denn er hatte erst am Abend Zeit für mich. Unglücklicherweise bekam ich dort meinen Mund
nicht auf. Der medizinische Fachbegriff dafür lautet Trismus oder Kieferklemme. Statt der schnellen Befreiung von meinen Schmerzen gab mir mein Arzt nur ein kleines Plastikteil, auf das ich
nachts meine rechten Backenzähne betten konnte. Das brachte aber keine Besserung. Ich bekam eine dicke Backe und hohes Fieber. Von da an wurde an vier weiteren Terminen irgendwas an meinen Zähnen
gemacht. Die Backe wurde dicker und ich um ein paar Kilo leichter. Es war schrecklich. Ich habe in dieser Zeit auch fast keinen Alkohol getrunken, so schlecht ging es mir. Nach einer Woche hatte
mein Zahnarzt Erbarmen mit mir und schickte mich zum Arbeitgeber von Herrn Ohrem. Dort wurde der Zahn gezogen, meine Wange aufgeschnitten und zwei Plastikrohre hineingesteckt, damit der Eiter
abfließen kann.
Von da an waren die wirklich schlimmen Schmerzen weg, und falls einem trotzdem etwas weh tut, kann man nach der Schwester klingeln und nach einem Schnaps verlangen. Das ist dann natürlich kein
Wodka, sondern ein Schmerzmittel in einem Schnapsglas aus Plastik, aber mit etwas Fantasie ist es fast so schön wie im Urlaub. (Erp Trafassel)