Jamie Oliver

„Eigentlich wollte ich ein Hohelied auf die englische Küche singen, aber...“ (Tim Mälzer)


Meine Frau ist ein überzeugter Fan der schnellen Küche von Jamie Oliver. Wenn sie  samstagsnachmittags mal etwas Zeit hat, sie die Wohnung gewienert, tonnenweise Lebensmittel eingekauft und dem Schulkind bei Hausaufgaben, Kurzvorträgen und der Erziehung geholfen hat, schaut sie sich manchmal seine Kochsendung an. Wie der Jamie dank intensiver Vorbereitung innerhalb von fünfzehn oder höchstens dreißig Minuten ein Vier-Gänge-Menü für sechs Personen zusammenzaubert, fasziniert jedoch nicht nur sie allein. Auch ich bin hochgradig beeindruckt. Manche Tricks habe ich mir sogar schon abgeschaut. Beispielsweise bereite ich einige Nahrungsmittel inzwischen komplett in der Mikrowelle zu. Das macht der kochende Engländer nämlich auch oft.
Den Gipfel seiner Kunst haben wir jedoch bisher nicht erklimmen können. Denn den Zenit des Jamie Oliver bildet seine Küchenmaschine. Die fehlt in unserem Haushalt ganz dringend. Die technischen Finessen der Vorrichtung hatte meine Gute in kürzester Zeit ausbaldowert und mich vom technischen Fortschritt überzeugt. Was habe ich also getan? Ich habe sie dem brutzelnden Briten weggeschnappt und meiner Köchin zum Geburtstag geschenkt! Das wird sicher viele Damen auf der ganzen Welt verstimmen und in tiefe Trauer stürzen, denn nun kann der gute Jamie nicht mehr blitzartig kochen, das Teil hat jetzt nämlich meine Frau. Vielleicht entdeckt er nun stattdessen die etwas langsamere Küche für sich. Bedächtiges schälen, in Zeitlupe schneiden, später handgeschöpftes Wasser in einem großen Topf auf kleiner Flamme erhitzen. Schließlich stundenlanges garen und warten, lange warten, bis Tage später ein unförmiger Pamps übrigbleibt, fraglich lecker, aber immerhin etwas im Fernsehen gekochtes. Live übertragen in den dritten Privatprogrammen und im Internet und jedes einzelne Gericht als DVD-Box erhältlich - zum sammeln und verschenken.
Aber was geht uns das jetzt noch an? Keine Frage, die Maschine kann wirklich alles. Zerstückeln, zerhäckseln, zermatschen, verrühren, verquirlen, verkneten, verklumpen - Eis machen kann sie auch. Und das ist nur die halbe Wahrheit. Wahnsinn! Unser Leben dürfte sich grundlegend verändern. Zu allererst wird die Arbeitsfläche in unserer Küche geschrumpft. Der Kaffeevollautomat kommt ins Schlafzimmer, denn an seiner Stelle steht jetzt der Atomzerkleinerer und wartet auf die ersten Naturalien zum verarbeiten. Doch damit muss das Ding leider noch ein wenig warten. Heute ist erst mal Geburtstag und wir gehen schick ins Restaurant. Vielleicht könnten wir, die Frau und ich, uns auf dem Weg zur Keramikabteilung ganz zufällig verirren und unbeabsichtigt einen Blick in deren Küche werfen. Würde mich schon interessieren, mit welch altertümlichen Krempel die dort kochen müssen. Uns geht es besser. Wir haben den Megahackomaten HD.
Beim ersten Test am nächsten Tag zerhackstückelt das Gerät drei Zwiebeln gleichzeitig in hauchdünne Schnipsel, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Ich hätte dafür mindestens eine knappe Stunde gebraucht und das Ergebnis wäre um einiges grobschlächtiger ausgefallen. Nachdem die Aufbauten der Maschinerie einen kurzen Abstecher unter fließendes Wasser hinter sich gebracht haben, zaubert das Rührwerk eine 1A-Schlagsahne aus dem Zylinder und beweist seine Vielseitigkeit. Kein Wunder, dass der Jamie Oliver fast alle seine Zutaten damit vorverdaut hat. Wenn ein Engländer zum Vorzeigekoch avanciert, muss eine höhere Macht dahinter stecken. Wir gönnen dem Zauberkessel einen verdienten Wellnessaufenthalt im Geschirrspüler und genießen die von ihm angefertigten Speisen. So schön kann das Leben sein! Ich mag gar nicht daran denken, was wir noch alles zerkleinern und verrühren werden. Köstlichkeiten ungeahnten Ausmaßes. Unsere Gäste werden auf den Knien rutschen, uns anflehen, nur um ein einziges mal selbst ein bis zwei Möhren in das Mahlwerk geben und leibhaftig dabei sein zu dürfen, wenn diese förmlich vaporisiert werden. Ja, nahezu religiöse Momente kündigen sich an.
Übrigens hat die Maschine einen ziemlich kurzen, aber himmlisch türkisblauen Netzstecker - total niedlich. Ich glaube, wir sind verliebt. Diese Haushalts- gerätschaft hat unsere Existenz auf ein neues Niveau gehoben. Die Evolution hat einen großen Schritt nach vorn gemacht. Erst das Feuer, dann das Rad und nun Jamie Olivers Küchenmaschine. Ich bin mal gespannt, wie lange wir das aushalten. Der ständige Fortschritt macht mich nämlich total fertig. Ich komm da kaum hinterher. Scheiß Kapitalismus. (HO)