Trennung

„Unsere natürlichen Lebensgrundlagen müssen in Verantwortung für künftige Generationen erhalten bleiben und geschützt werden.“ (Norbert Röttgen)


Ich weiß, bei vielen Mitbürgern ist es schon lange wieder verpönt, sie rümpfen die Nase, halten es für unsinnige  Zeitverschwendung und meckern täglich über den ganzen Quatsch, doch ich tue es immer noch oft und gern – ich trenne meinen Müll. Und zwar so richtig - nach Kunststoffverpackungen, Pappepier und Bio mit und mit ohne Knochen. Wobei sich Knochen ja quasi wie Holz anfühlen und mit diesem als Biomasse entsorgt werden können.
In unserer kleinen Wohnung befinden sich demnach etliche Behältnisse für die unterschiedlichen Abfälle. Eine ausgediente Einkaufstüte zum Beispiel hängt einladend in der Küche und wartet auf Kundschaft für den grünen Punkt. Dort werden Leichtmetalle, Plastikbecher, Kunststofffolien und andere Erzeugnisse der petrolchemischen Industrie gesammelt. Dahinter steckt ein verblüffendes Konzept, denn damit werden sowohl Plastiktüten von vergangenen Einkäufen einer sinnvollen Beschäftigung zugeführt, als auch die Anschaffung von Müllbeuteln vermieden und das gebeutelte Ergebnis lässt sich auch noch bequem zur gelben Tonne schlenkern. Absolut praktisch das ist.
Für Naturprodukte auf hölzerner Basis stehen uns jederzeit ausgediente Tiefkühlbiobuttergemüse-, Megazuckercornflakes- oder frische Schuhkartons zur Verfügung. Alle ungelesenen Zeitungen, diffusen Papierreste und Pappschachteln werden liebevoll gefaltet und passgenau in diese Gefäße eingeführt, in wieder verwertbaren Tragetaschen zusammengefasst und auf halbem Wege zum Friedhof der Wertstofftonne zugeführt. Das spart Bäume ohne Ende. Ganze Wälder habe ich mit dieser Methode vor einem erniedrigenden Ende in dampfenden Papierfabriken bewahrt. Mit wenig Aufwand - einfach gut durchdacht.
Und an Stelle des früheren Schweineeimers dienen uns alte Brötchentüten für trockene Biomassen und skalpierte Tetra-Packs für feuchte Nahrungsreste. So kann ich nämlich fröhlich den nassen Matsch aus Kaffeesatz und püriertem in die braune Tonne kippen und gleich darauf schwungvoll den Tetra-Pack in die zuständige Tonne pfeffern. Meiner Meinung nach eine preisverdächtige Lösung und allemal praktischer als die kompostierbaren Biomülltüten, die nach kurzer Zeit durchgesifft sind und eine Lache klebriger Brühe in Eimern oder auf Abstellflächen hinterlassen.
Die Entsorgung von Gartenabfällen, also verwelkten Balkonpflanzen und Weihnachtsbäumen, nimmt eine Sonderstellung unter den kompostierbaren Hinterlassenschaften ein. Denn man kann diese schwerlich in die Biotonne quetschen, da sie zu sperrig sind und der Hausgemeinschaft die Freude am Entsorgen vermiesen würden. Also werden sie gesondert in einem stabilen Müllsack gesammelt und an einem nebligen Sonntagmorgen mit einem alten Kinderwagen zum Friedhof gefahren, um dort in grünen Absetzcontainern ihr Ende zu finden. Obwohl unbeteiligte Passanten natürlich den Eindruck haben könnten, ich hätte Teile meiner Familie zerstückelt und würde sie auf diesem Wege beseitigen wollen. Aber um die Zeit merkt das niemand. Darum der frühe Aufbruch ins Grüne.
Lediglich die schonende Beseitigung von Glasmüll erfordert manchmal etwas größeren Aufwand. Die zuständigen Container befinden sich nämlich in relativer Entfernung vom Wohnort, beim Transport größerer Mengen Schnaps und Weinflaschen möchte man von den Nachbarn jedoch ungern beobachtet werden, zumal der Einwurf nach Einbruch der Dunkelheit natürlich untersagt ist. Das ist kaum miteinander zu vereinbaren. Man könnte die Pullen dem Kinde mit auf den Schulweg geben, an irgendeinem Container kommt es sicher vorbei, aber schwer tragen sollen die lieben Kleinen auch wieder nicht. Oder man würde sich ein Taxi kommen lassen, doch wer soll das auf Dauer bezahlen? Sind ja nicht mal Pfandflaschen dabei. Ist halt alles nicht so einfach. Doch genug vorerst von der technischen Komponente der Mülltrennung.
Was dabei nämlich nicht zur Sprache kommt, ist die Genugtuung, die ich beim Trennen des Mülls empfinde. Es beruhigt mich ungemein, wenn ich zum Beispiel Kartonagen in ihre Einzelteile zerlege, luftgepolsterte Briefumschläge auseinanderpuzzle oder leere Joghurtbecher ineinander stapele und eintüte. Ich mag es auch sehr gern, Brotkrümel vom Frühstück in die Papiertüte zu schippen, etwas vertrocknetes Laub vom Christusdorn dazu, noch ein wenig Zwiebelschale drauf, das dichtet gut ab und macht Spaß. Ich genieße diese kleinen Momente, finde innere Ruhe. Andere Leute sammeln Briefmarken, kucken in die Sterne oder lecken Frösche - ich erfreue mich an der Minimierung des deponierbaren Hausmülls. Wird ja alles wiederverwehrtet. Und wer was anderes behauptet ist ein reaktionärer Umweltterrorist!
Mit besonderer Hingabe widme ich mich übrigens der Vernichtung der Adressfelder in unserer Post oder von Paketen. Denn da bin ich eigen. Mein Name und meine Adresse gehören nicht einfach so in den Müll. Das geht niemanden etwas an. Die Anschrift wird fein säuberlich herausgetrennt und von einem kleinen Schredder in unleserliche Schnipsel zerteilt. Anreden und E-Mail-Adressen geht es genauso. „Sehr geehrter Herr O….“ – ratsch! Zur Not arbeite ich mit einer Papierschere nach. Wenn die NSA oder der Mossad einmal durch unsere blaue Tonne kriechen sollten, mich finden die nicht. Denn in den Papiermüll kommen die zerstückelten Reste natürlich trotzdem. Der Wiederverwertung soll nichts verloren gehen.
Den Damen in meinem Wohnumfeld liegt leider nicht ganz soviel an der durchgestylten Müllbearbeitung. Sie bedürfen hin und wieder einer gewissen Kontrolle und Anleitung, gerade was die Geheimhaltung unserer Identitäten angeht. Diese Aufgabe übernehme ich natürlich gern und schule sie immer wieder nach, wohl wissend, das wir später darauf zurück kommen werden müssen. Jede technische Neuerung brauchte schließlich ihre Zeit, bis sie sich durchsetzen kann und der einfachen Bevölkerung in Fleisch und Blut übergegangen ist. Das war schon immer so. (HO)