"Aspirin gab´s nicht, da habe ich dir Zigaretten mitgebracht." (Homer Simpson)
Letztens hatte meine Frau eine gaaanz seltene Krankheit – Kopfschmerzen! Ein stechender Schmerz bohrte sich urplötzlich kilometertief in ihr Hirn. Dazu schrie sie markerschütternd, ging
zeitgleich in die Hocke und verschränkte die Hände beidseits über dem Haupt, als würde ihr der Himmel auf den Kopf fallen. Alle zwanzig Sekunden. Ich war jedes Mal sehr erschrocken.
Meine Frau hat so was alle Jubeljahre mal für ein paar Tage. Beim ersten Mal schickte sie unsere damalige Hausärztin sofort zum Schädel-MRT – doch da war nix zu sehen. Deshalb blieb ich in diesen
unruhigen Zeiten insgesamt relativ unbesorgt. Bis auf das Geschrei. Das störte mich. Ich sagte zur Frau: „Mach das bloß nicht bei Kaufland. Was sollen denn die Leute denken?“ Da hatte sie einfach
eine Tablette genommen und nur noch ein bisschen gezuckt.
Zu hause suchte sie stundenlang bei Wikipedia nach ihren Symptomen, fand aber leider nicht das passende. Wir hatten uns seit Jahren auf ein bestimmtes Krankheitsbild verständigt – nun fand sie
dessen Umschreibung allerdings unzutreffend für ihre Beschwerden. Denn ihr Schmerz zog ja immerhin von da nach hier und nicht von hier nach da. Also eine ganz seltene Angelegenheit. Könnte man
mit zum Arzt gehen. Wollte sie aber nicht. Abwarten. Nach einigen Tagen sollten wir das überstanden haben.
Wegen meiner familiären Anteilnahme hatte ich den einen Morgen auch ganz dolle Kopfschmerzen. Ich war am Abend zuvor bei meinem eloquentesten Kumpel gewesen, um mit ihm über tagesaktuelle
Politik, die neuesten Erzeugnisse der Fußbodenbelagindustrie und den verantwortungsvollen Umgang mit unseren Lieblingsbiersorten zu diskutieren. Zum Glück konnten wir uns einigen. Aber bis zum
Mittagessen war ich wieder gänzlich gesundet. Und meine geliebte Frau etwas später ebenfalls.
Doch auch ich hatte mal eine extrem seltene Erkrankung. Ich wachte nachts mit starken Schmerzen im hinteren Rücken, weiter oben auf, die bis in den Nacken zogen. Ich war total verzweifelt. Meine
Arme konnte ich zusätzlich nicht über Schulterniveau anheben. Ich dachte, so was gab es noch nie. Ich war erschrocken und regelrecht verzweifelt. Am nächsten Tag war ich endlich bei meiner
Hausärztin zu Gast, um mir eine dringende Überweisung zu einem Spezialfacharzt zu holen, denn ich hielt mich für eine echte Konifere oder wie die Dinger heißen. Als ich im Vorzimmer der
Medizinerin meine haarsträubenden Symptome schilderte, sagte die schnöselige Sprechstundenhilfe sofort: „Alles klar, Schulter-Arm-Syndrom! Sie sind gleich dran.“
Was? Das war alles? Das konnte die doch gar nicht beurteilen. Meine Krankheit war mit Sicherheit etwas ganz Besonderes. Na ja. Ich bekam ein paar Schmerztabletten und eine Überweisung zur
Physiotherapie für Massage und Fango. Nach ein paar Anwendungen war fast alles wieder gut. Nur meine Arme ließen sich noch nicht so geschmeidig durch bewegen wie früher. Auf Feierlichkeiten bzw.
beim trinken musste ich meinen Bewegungsapparat noch wochenlang ein wenig verkannten, was im Freundeskreis für eine gewisse Erheiterung sorgte. Aber irgendwann war auch das überstanden. Bis zum
nächsten mal. Ist nämlich chronisch. Kommt von krummer Wirbelsäule. Was ich alles habe. Toll.
Bei wem es für eine ganz seltene Krankheit aus Kapazitätsgründen oder mangels Phantasie nicht reicht, der kann auch einfach zwei normale Krankheiten miteinander kombinieren. Das kann einen auch
ganz schön fertig machen. Zum Beispiel ein handelsüblicher Magen-Darm-Virus mit einer schnöden Erkältung. Da hat man mit jedem Hustenanfall eine hübsche kleine Überraschung in der Hose. Ein Hoch
auf die Kochwäsche! Mit solchen Geschichten sollte man Eltern, Freunde und Bekannte unbedingt beeindrucken.
Es gibt viele Erkrankungen, von denen der geneigte Tageszeitungsleser bisher rein gar nichts oder bestenfalls nur hanebüchenen Unsinn gehört hat. Und auch die regelmäßige Lektüre der
Apothekenumschau ersetzt ein Medizinstudium nur bedingt. Denn komische Krankheiten sind eine schwierige Angelegenheit. Viele sind so selten, dass nur der Erkrankte selbst sie nicht kennt, bei
denen der erfahrene Schulmediziner jedoch schnell zu einer schlüssigen Erklärung gelangen würde, so man ihn konsultierte. (HO)